Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder
Besprechung
Im Mittelpunkt von Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ steht das Leben des fiktiven, weltfremden und etwas skurrilen Antiquars Norbert Paulini, der schon während seiner Schulzeit „Leser“ werden wollte und der in den 70er und 80er Jahren im Dresdender Stadtteil Basewitz lebt, wo er eine kleine elitäre Leserschaft mit hochbegehrten Raritäten versorgt. Sein Antiquariat ist ein Ort des regen geistigen Austausches; der Büchermensch Paulini gilt als feste Institution in der Dresdener Kulturszene. Nach dem Fall der Mauer 1989 ist alles anders: Mit dem Einzug des Kapitalismus verliert Norbert Paulinis Antiquariat an Bedeutung. Seine hochgeschätzten Raritäten sind nun frei auf dem Markt verfügbar und die treue Kundschaft bleibt aus. Die Kunden kommen nicht mehr zu ihm, um Bücher zu erwerben, sondern um diese loszuwerden. Paulini, der zu diesem Zeitpunkt mit der Friseurin Viola verheiratet ist, von der sich herausstellt, dass sie der Stasi zugearbeitet hat, gerät zunehmend in finanzielle Nöte und muss sogar seine alte Villa verlassen, nachdem sich Alteigentümer aus dem Westen mit Wiedergutmachungsansprüchen gemeldet haben. Kurzfristig arbeitet Paulini als Kassierer an einer Supermarktkasse, später verschafft ihm eine Freundin einen Job als Nachtportier. Der einst so weltoffene Paulini verbittert zunehmend, er lässt sich scheiden und nimmt mehr und mehr rechtsextreme Positionen ein. Der endgültige Bruch findet statt, als Paulini verkündet, er werde sich fortan als Leser allein der deutschsprachigen Literatur widmen, um sich sein Sprachgefühl zu bewahren. Auch sein Sohn Julian wird in die rechte Szene abdriften. Den letzten Rest gibt Paulini dann die Jahrhundertflut der Elbe im Jahr 2002, die große Teile seines Buchbestands vernichtet. Norbert Paulinis Geschichte wird im ersten Teil des Romans von dem Schriftstellers Schultze, der im Haus Paulinis verkehrt, erzählt und der eine Novelle (wohl den ersten Teil des Romans) über Paulini schreibt und der im zweiten Teil als Ich-Erzähler auftritt (Bei dem Schriftsteller Schultze, handelt es sich womöglich um Ingo Schulzes Alter Ego). Während Ingo Schulze nach der Wende schnell zu einem bekannten Autor im Westen avancierte, lebt seine Romanfigur Norbert Paulini am Ende des Romans ökonomisch und sozial abgehängt in der Sächsischen Schweiz, wo er, schließlich ausgerechnet mit Lisa, Schutzes Geliebter, mit der Paulini schon lagen freundschaftlich verbunden war, zu Tode kommt. Der dritte Teil ist dann aus der Sicht der Lektorin Schultzes geschrieben, die sich auf Spurensuche macht, um dem mysteriösen Tod Paulinis aufzudecken.
Didaktische Hinweise
Mögliche Untersuchungsaspekte im Unterricht sind:
Charakterisierung der Figuren im Roman:
- Norbert Paulini als Büchermensch, Paulinis Radikalisierung
- Paulinis Schicksalsschläge als Ursache für seine Verbitterung
- Paulinis Rolle als Antiquar vor und nach der Wende
- die Frauenfiguren Eva und Lisa
- der Schriftsteller Schultze (alias Ingo Schulze)
- die Lektorin
Historische Themen:
- Deutsche Widervereinigung (Wendegewinner – Wendeverlierer)
- die Rolle der Stasi (vgl. Eva)
- die Flüchtlingskrise 2015 in Dresden
- Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft
- der Schauplatz Dresden
Formale Aspekte:
- Konstruktion des Romans (drei Teile)
- die Rolle des Erzählers (Schultzes Absicht, eine „Novelle“ zu schreiben)
- die märchenhaft altertümliche Sprache des Romananfangs
Lesung und Gespräch mit dem Autor Ingo Schulze
Gattung
- Romane
Eignung
in Auszügen geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Werteerziehung
- Sprachliche Bildung
Erscheinungsjahr
2021ISBN
9783423148047Umfang
318 SeitenMedien
- Buch