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Helga Schubert: Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten

Besprechung

Die Lebensgeschichte der Autorin vor und nach dem Umbruch durch die „Wende“ in zwischen zwei und dreißig Seiten langen Texten. Helga Schuberts „idealer Ort“ ist das Aufwachen im Garten der Großmutter in den Sommerferien. Die Mutter des 1941 im Alter von 28 Jahren gefallenen Vaters der Erzählerin lebt mit ihrem Freund bei Greifswald. Sie hat nie aufgehört, Schwarz zu tragen, seit sie zwei Söhne und ihren Mann innerhalb der letzten vier Kriegsjahre verloren hat. Die Ferien bei der Großmutter an diesem Ort sind der Trost für das Leben mit einer harten, gefühlskalten Mutter in der Zeit nach dem Weltkrieg in der DDR.

Helga Schubert erzählt ohne Pathos – das ist der politischen Propaganda der DDR vorbehalten – oft auch mit Ironie von 45 Jahren Leben unter einer Diktatur. Als ihr Sohn Förster, aufgewachsen in einem Plattenbau, werden will, bekommt er nur eine Lehrstelle, weil sie keine Verwandten im Westen haben. Das Geheimnis des Gewinnens von Lärchensamen muss fest in der Hand der DDR bleiben. Nicht komisch sind die Beschränkungen, der die Schriftstellerin unterliegt. Vierzehn Jahre lang wurde sie bespitzelt. Überall, ob beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt 1980 oder im Goethe-Institut in Brüssel 1983, wird der gesamtdeutsche Alleinvertretungs-Anspruch Westdeutschlands gefürchtet und ihr das Visum verweigert oder mehr oder weniger unverblümt mit der Ausweisung gedroht. „Am 9. November 1989 war ich fast fünfzig Jahre alt und hatte noch niemals frei gewählt.“ schreibt sie in „Keine Angst“, einem Kapitel über die Wiedervereinigung, das endet mit: „Die Mauer ist weg, stand auf der Sperrmauer. So etwas kann man sich einfach nicht ausdenken.“ Helga Schubert sagt (bei ihrer Lesung im Literaturhaus München), sie schreibe ihre Texte immer mit Blick auf den letzten Satz, er stehe mit dem ersten in enger Verbindung. „Vom Aufstehen“ erzählt in kurzen Abschnitten von der Mutter, die mit 101 „noch ein bisschen leben“ wollte und vom Leben mit ihrem zweiten Mann, mit dem sie jetzt in ihrem früheren Sommerhaus in Mecklenburg lebt. Er ist schwer krank, wird von wechselnden Pflegerinnen versorgt, aber er ist da und breitet die Arme aus: „Alles gut.“ ist der letzte Satz des Bandes.

Didaktische Hinweise

Humor und Poesie, Beschreibung der Realität einer Diktatur, das alles findet sich bei Helga Schubert, der Bachmannpreis-Trägerin des Jahres 2020. Dass eine 80 Jahre alte Dame diesen Preis gewinnt, bei dem das Durchschnittsalter der eingeladenen Autoren in den Dreißigern liegen dürfte, zeigt, wie relevant, auch historisch informativ ihre Texte und wie modern und vielfältig ihr Stil sind. Dass sie wieder nicht persönlich in Klagenfurt anwesend sein durfte, dieses Mal wegen einer Pandemie, ist ein bedenkenswerter Zufall.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geschichte

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783423282789

Umfang

222 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch