Antje Bones: Nebenan ist doch weit weg
Besprechung
Eine anrührende Geschichte über Einsamkeit und Freundschaft
Die zwölfjährige Edith muss mit ihren Eltern und ihrem fünfjährigen Bruder von Berlin nach Krakau ziehen, weil ihr Vater dort eine gute Stelle als Restaurator erhält und ihre Mutter an der Universität unterrichten kann. Beide haben vor Jahren in Krakau studiert, sprechen deshalb Polnisch und sehen den Umzug als Chance und Neuanfang.
Aber Edith empfindet dies ganz anders, auch wenn ihre Eltern vorher oft mit ihr gesprochen und versucht haben, ihr zu erklären, warum sie nach Krakau ziehen wollen. Polen liegt zwar nebenan, also neben Deutschland, aber es ist für Edith doch weit weg, weil für sie dort alles neu und fremd ist, denn sie hat ihre beiden besten Freundinnen in Kreuzberg zurücklassen müssen, ihre Schule, ihr Zimmer in einer Stadtwohnung, ihre Großeltern; Edith glaubt, sie habe alles verloren und der Anfang in Krakau ist tatsächlich sehr schwer.
Sie muss sich in der fremden Stadt zurechtfinden und obwohl sie schon länger Polnisch lernt, versteht sie am Anfang überhaupt nichts. Das einzige, das sie über die schwierige Zeit trägt, ist ihr Tagebuch, das sie schon seit vielen Jahren führt, denn sie will später Schriftstellerin werden. Aber nach und nach fasst Edith Fuß in der fremden Welt; sie lernt in der Schule zuerst Milena kennen, die sich um sie kümmert, und später stößt Antek dazu, der gerade seine Großmutter verloren hat und von seinen Informatikfreunden wenig Unterstützung erhält, die ihm aber die beiden Mädchen geben können.
Eines Tages findet Edith in dem großen alten Haus, das ihre Eltern gekauft haben, ein geheimes Zimmer und in ihm ein Bündel alter Briefe. Sie fragt ihre neuen Mitschülern um Rat und bei dem Versuch, das Geheimnis dieser Briefe zu erkunden, werden die drei zu richtig guten Freunden. Es stellt sich heraus, dass die Schreiber der Briefe, Kaja und Elias, in diesem Haus gewohnt haben. Kaja und ihre Familie haben während der deutschen Besatzung den jüdischen Jungen Elias und seine Mutter vor den Nationalsozialisten versteckt und in dieser Zeit schreiben sich das Mädchen, das sich frei bewegen kann, und der Junge, der das geheime Zimmer nicht verlassen darf, sehr anrührende Briefe. Am Ende stellt sich heraus, dass zwar Kaja bereits 2015 verstorben ist, aber Elias hochbetagt in New York lebt; er und seine Mutter sind also den Nationalsozialisten entkommen.
Didaktische Hinweise
Die jungen Leserinnen und Leser werden sicherlich vieles von Ediths Ängsten aus eigener Erfahrung kennen. Alle haben sicherlich schon erlebt, wie es ist der oder die „Neue“ zu sein. Edith erzählt ihre Geschichte selbst und dazwischen finden sich Auszüge aus ihrem Tagebuch, sodass sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Mädchen identifizieren können. Darüber hinaus kann man eine Vielzahl von Themen mit einer sechsten oder siebten Klasse besprechen, vor allem auf das Leben in einem fremden Land lässt sich sehr gut eingehen, denn das Besondere an diesem Kinderroman ist, dass hier eine Migrationsgeschichte mit umgekehrten Vorzeichen erzählt wird: Ein deutsches Mädchen wird als Ausländerin bezeichnet und erfährt auch Vorurteile und grundlose Ablehnung. „Nebenan“ bedeutet, dass Polen zwar Deutschlands Nachbarland ist, aber einiges ist eben doch „weit weg“. Darüber reflektiert Edith auch sehr differenziert, wenn sie die Unterschiede im alltäglichen Leben festhält, aber eben auch Wesentlicheres, wie etwa die tiefe Religiosität, die Edith erstaunt bei Milena feststellt. Auch dass Milena viele Jahre allein gelebt hat, ohne Eltern, weil diese in Deutschland arbeiten mussten, und dass dies in Polen „normal“ ist, wird thematisiert. Darüber hinaus wird auf die unterschiedlichen historischen Erfahrungen der Bewohner eingegangen, in Polen erfuhr man die Brutalität einer fremden Besatzung, von Deutschland aus wurde sie ausgeübt. Die Autorin macht sehr geschickt darauf aufmerksam, dass dieser Unterschied auch heute noch ei
Gattung
- Romane
Eignung
und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 5 bis 6Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Geschichte
- Interkulturelle Erziehung
FÜZ
- Interkulturelle Bildung
- Kulturelle Bildung
- Soziales Lernen
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2023ISBN
9783423641135Umfang
304 SeitenMedien
- Buch
- E-Book