Monika Helfer: Vati
Besprechung
Erinnerungen der Schriftstellerin an ihren Vater, desen Leben von Büchern bestimmt war. In ihrem erfolgreichen Roman „Die Bagage“ (2020) erzählt die österreichische Schriftstellerin Monika Helfer die Geschichte ihrer Großeltern und ihrer Mutter. Ihr neues Buch über den Vater schreibt die Erzählung fort. „Vati“ sollen sie ihn nennen, das sei „modern“, sagt er seinen Kindern. Als uneheliches Kind mit der Mutter in ärmlichsten Verhältnissen im Lungau aufgewachsen, zeigte er sich als intelligenter Schüler und bekam die Erlaubnis, in der sogenannten Bibliothek des ortsansässigen Baumeisters, des Vaters eines Schulkameraden, zu lesen. Weil er Bücher nicht kaufen konnte und nicht leihen wollte, begann er sie abzuschreiben, bis es herauskam, und er nicht mehr eingeladen wurde. Noch bevor er Abitur machen konnte, wurde er eingezogen und nach Russland geschickt, wo ihm das rechte Bein erfror und amputiert wurde. Das bringt ihm die Bekanntschaft mit seiner zukünftigen Frau, einer Krankenpflegerin, und nach dem Krieg eine Anstellung als Verwalter eines Kriegsopfererholungsheims. Bücher bleiben das Wichtigste für ihn, auch als Objekte, deren Beschaffenheit und Geruch er liebt. Er heiratet, bekommt drei Töchter, darunter die Autorin, und einen Sohn und lebt mit seiner Familie an seinem Arbeitsplatz, dem Heim, das die Bibliothek eines Professors, Mitglied in dem Verein, dem das Heim gehört, geerbt hat. Er veranstaltet Vorlesestunden für die Gäste und führt seine Tochter Monika in die Welt der Bücher ein. Doch das Idyll zerbricht: Die Mutter zieht sich immer mehr zurück und überlässt die Kinder anderen, es „ist immer jemand da“. Dann ist der Vater über ein Jahr im Krankenhaus, die Mutter bekommt das vierte Kind. Das Heim soll umgebaut werden und da zu befürchten ist, dass die Bücher mit anderem Gerümpel weggeworfen werden, schafft er einen großen Teil beiseite. Als er befürchtet, als Dieb entlarvt zu werden, begeht er einen Selbstmordversuch. Nach dem Tod seiner Frau heiratet er zum zweiten Mal, kauft sich mit der neuen Frau ein Haus und richtet auch dort eine Bibliothek ein. Er ist 67 Jahre alt, als er beauftragt wird, die örtliche Leihbibliothek zu leiten. Er bekommt ein Budget und kauft Bücher ein, aber nur solche, die ihn interessieren. Als sie geliefert werden, fällt er über einen Stapel, stürzt und ist tot – aus Freude an Büchern. Helfer setzt die Lebensgeschichte ihres Vaters aus einzelnen Stücken zusammen, so wie sie ihr einfallen oder wie sie ihr erzählt werden, von der Stiefmutter oder den Geschwistern. Sie erzählt leichthin zunächst, man wähnt sich in einer idyllischen Familien- und Büchergeschichte. Doch wie nebenbei erfährt man Brüche, Unglück und Auflösung einer Familie. Auch von ihrem Leben als Erwachsene erzählt sie, von ihrer ersten Ehe, der Begegnung mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier, der Heirat, dem Unfalltod ihrer Tochter Paula, der immer gegenwärtig ist.
Didaktische Hinweise
Aus den Puzzleteilen einer liebevoll und behutsam erzählten Biografie entsteht das Bild einer nicht erfolgreichen, eher schwachen Vaterfigur: Er hat sich „bemüht“ (der letzte Satz lautet: Wir alle haben uns bemüht.). Es ist auch eine Nachkriegsgeschichte, Traumata werden nicht ausdrücklich als solche benannt, sind aber zum Beispiel an den Schicksalen der Versehrten zu sehen.
Gattung
- Romane
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 9 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
FÜZ
- Kulturelle Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2021ISBN
9783446269170Umfang
173 SeitenMedien
- Buch
- E-Book
- Hörbuch