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Christoph Hein: Guldenberg

Besprechung

In „Guldenberg“ widmet sich Christoph Hein einem hochaktuellen Thema – dem Thema der Migration. Schauplatz ist das fiktive Städtchen Guldenberg irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Heim, der den Ort bereits in früheren Romanen verwendet hat, benutzt diesen als Anschauungsort und Allgemeinort für das, was überall passieren kann. Nachdem der Pfarrer der lokalen Kirchengemeinde sich dafür eingesetzt hat, dass Guldenberg Flüchtlinge aufnimmt, hat die Stadt Jugendliche aus Syrien und Afghanistan in einem alten Seglerheim untergebracht. Diese Situation führt jedoch dazu, dass sich in Guldenburg Jahrzehnte später wieder Abgründe auftun, die man lägst für überwunden glaubte: Hinter den schmucken renovierten Fassaden Guldenbergs haben sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert: Das politische System ist zwar seit der Wiedervereinigung ein anderes, Korruption und kleinbürgerliche Gier bestimmen aber das Verhalten der Figuren. Mit der Aufnahme der Jugendlichen entstehen in Guldenberg die wildesten Gerüchte und die Stimmung ist angespannt. Dem Pfarrer wird vorgeworfen, er wolle die Kirche in eine Moschee verwandeln und es dauert nicht lange und es fliegen Ziegelsteine in die Fenster der Unterkunft. Auch am Auto der Betreuerin der Jugendlichen werden die Reifen aufgestochen und ein junges Mädchen behauptet, von einem der Jugendlichen vergewaltigt worden zu sein. Sie kann den vermeintlichen Vergewaltiger aber bei der anschließenden polizeilichen Gegenüberstellung nicht identifizieren. Wie sich später herausstellt, hat sie die Geschichte erfunden, da sie ihren Eltern nicht gesehen wollte, von ihrem Freund schwanger zu sein. Nichtsdestotrotz bleiben die fremden Jugendlichen den Guldenbergern verdächtig. 

Erzählt werden die Ereignisse in „Guldenberg“ von einem auktorialen Erzähler, der kapitelweise die einzelnen Figuren in den Blick nimmt, die ganz ähnlich wie in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ stellvertretend für die jeweiligen Institutionen der Stadt – Rathaus, Kirche, Polizei, Wirtschaft und Öffentlichkeit – stehen und die durch ihr Verhalten exemplarisch zeigen, wie eine Politik funktioniert, in der sich alle so eingerichtet haben, dass es ihnen zum eigenen Vorteil gereicht. Durch die Ankunft der Jugendlichen wird diese Ordnung in Frage gestellt, sämtliche Vorurteile gegenüber allem Fremden und Nicht-Deutschen, was den Bewohnen ohnehin schon immer ein Dorn im Auge war, schlagen schließlich in offene Gewalt um. 

Didaktische Hinweise

Bei „Guldenberg“ handelt es sich um einen aktuellen Zeitroman, der aber leider an die vorangegangenen Romane „Glückskind mit Vater“ und „Verwirrnis“, die auch als Klassenlektüre zu empfehlen sind, nicht ganz heranreicht. Das liegt v. a. daran, dass die Figuren in „Guldenberg“ eher schematisch gestaltet sind und sich wenig entwickeln, was natürlich erschreckende Realität ist. Die Ressentiments, die sie vertreten, werden von ihnen bestätigt und wenig reflektiert. Vor diesem Hintergrund bietet der Roman für eine gemeinsame Lektüre mit Schülerinnen und Schülern weniger Diskussions- und Identifikationspotenzial als das z. B. bei „Verwirrnis“ der Fall ist. Für die Anschaffung für die Schülerlesebibliothek ist „Guldenberg“ uneingeschränkt zu empfehlen. Christoph Hein zählt zu den wichtigsten Autoren der Gegenwartsliteratur, der seinen festen Platz in der Oberstufe hat. 

Gattung

  • All Age
  • Romane

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

FÜZ

  • Soziales Lernen
  • Politische Bildung
  • Werteerziehung
  • Interkulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783518429853

Umfang

284 Seiten

Medien

  • Buch