Natasha Brown: Zusammenkunft
Besprechung
Im Mittelpunkt von Natasha Browns Roman mit dem Titel „Zusammenkunft“ steht die namenlose Ich-Erzählerin, die viel mit der Biografie der Autorin gemeinsam hat. Sie ist eine Schwarze Frau, die sich erfolgreich in der Londoner Finanzwelt nach oben gekämpft hat. Dabei wird sie immer wieder mit Alltagsdiskriminierungen in einer von Männern dominierten Berufswelt konfrontiert. Als junge britische Frau, deren Eltern vor ihrer Geburt aus der Karibik nach Großbritannien eingewandert sind, hat die Ich-Erzählerin mit viel Ehrgeiz und persönlichem Einsatz eine glänzende Karriere im Finanzwesen gemacht. Sie arbeitet mittlerweile in einem gutbezahlten Job in der Londoner City. Das Ergebnis ihrer enormen Anstrengung kann sich sehen lassen: eine Eigentumswohnung in einem kernsanierten gregorianischen Townhouse, finanzielle Absicherung sowie eine private Krankenversicherung. Darüber hinaus hat sie einen Freund aus einer einflussreichen Familie der Upper-Class, dessen Familie über ein altes Anwesen in Newbury verfügt, wohin sich die Ich-Erzählerin aufmacht, denn sie ist dort zum vierzigsten Hochzeittag der Eltern eingeladen. Dort wird ihr der ebenfalls namenlose und nur als „Sohn“ betitelte Freund einen Heiratsantrag machen. Auch wenn das Leben der Ich-Erzählerin vordergründig perfekt zu sein scheint, wird in Natasha Browns Roman jedoch mehr als deutlich, dass es sich um eine Geschichte des Zwangs handelt, denn am Ende geht es um den persönlichen Preis, den die Ich-Erzählerin bezahlt, um an die gesellschaftliche Position zu gelangen, an der sie jetzt steht. Das alles geht nicht ohne komplette Selbstaufgabe und Selbstverleugnung. Rassistische oder sexistische Überschreitungen nimmt die Ich-Erzählerin wortlos hin, denn es wird auch klar, dass ihre erkämpfte Rolle von Anfang an durch die Ansprüche anderer definiert wird. In ihrem beruflichen Umfeld gilt die Ich-Erzählerin v. a. als gelungenes Beispiel für Integration und Diversität, warum sie auch zu aufgefordert wird, als Teil ihres Jobs zusätzlich an Schulen und Universitäten Vorträge über ihre Kariere zu halten. Für die Ich-Erzählerin ist hingegen ihr ganzes Dasein geprägt durch Verstellung und Anpassung. Wer hinter der Fassade steckt, können weder ihre Arbeitskolleg/-innen noch ihr Freund sehen. Der Freund erfährt auch nichts von der Brustkrebs-Diagnose der Ich-Erzählerin, die sie ihm bewusst verschweigt. Die Erkrankung und die Frage, wie sie mit der Diagnose in einer Arbeitswelt umgehen soll, die gnadenlos durchgetaktet ist, wird zur zentralen Metapher einer kranken Gesellschaft.
Didaktische Hinweise
„Zusammenkunft“ von Natasha Brown eignet sich aufgrund seiner Kürze sehr gut als Schullektüre im Deutschunterricht und im englischen Original auch im Englischunterricht. Dabei ist der Roman nicht nur wegen seiner gesellschaftskritischen Thematik (Rassismus, Kolonialismus, Klassismus, Sexismus, Diversität) interessant, sondern auch aufgrund seiner Konzeption, die sich aus kurzen Alltagszenen, Vignetten, Wortwechseln, Beobachtungen und essayistischen Reflexionen zusammenfügt. Auch die radikale Entscheidung der Ich-Erzählerin, keine Heilungschance zu sehen und ihre Krankheit nicht behandeln zu lassen, bietet viel Raum zur Diskussion. Hier findet sich eine Leseprobe des Verlags.

Gattung
- Romane
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Englisch
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
FÜZ
- Alltagskompetenz und Lebensökonomie
- Interkulturelle Bildung
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2023ISBN
9783518473221Umfang
113 SeitenMedien
- Buch
- E-Book
- Hörbuch