mobile Navigation Icon

#lesen.bayern » Bücher für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene » Besprechungen Belletristik » Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Thomas Strässle: Fluchtnovelle

Besprechung

Bei der „Fluchtnovelle“ des Schweizers Autors Thomas Strässle handelt es sich um eine erzählerische Rekonstruktion der Fluchtgeschichte seiner Eltern. Die Novellenform erlaubt es dem Autor, sich hierbei vollkommen auf die unerhörte Begebenheit zu konzentrieren – die Liebesgeschichte seiner Eltern, die aufgrund der politischen Situation des geteilten Deutschlands als unmöglich erscheint. Als der damals 23-jährige aus der Schweiz stammende Vater sich 1965 in Erfurt in die 21-jährige Dresdner Studentin, die Mutter des Autors, verliebt, ist sofort klar, sie wollen zusammenleben, es ist jedoch auch klar, dass die Option des Vaters aus der Schweiz in die damalige DDR zu ziehen nicht in Frage kommt. Da es für die Mutter keinen legalen Weg über die schwer bewachte Grenze gibt, bleibt nur noch die Republikflucht. Was den beiden jedoch auch bewusst ist, ist, dass dieser Weg kein waghalsiger sein darf. Als einzige Möglichkeit sieht der Vater, das System dort anzugreifen, wo es selbst am wenigsten hinterher ist, nämlich bei der Einreise. Während die DDR alles daransetzte, die Menschen an der Ausreise zu hindern, sieht der Vater eine Möglichkeit, dass die Mutter mit Hilfe eines falschen Schweizer Passes und einer falschen Identität als Schweizer Touristin getarnt aus der DDR nach Prag einreist, um dann von dort aus in die Schweiz zu fliehen. Auch wenn die Flucht vom Vater akribisch geplant wurde, indem er die Abläufe am Prager Flughaften mehrfach genauestens beobachtet hat, sind die Tage, die das Paar dann in Prag verbringt, bis das Flugzeug nach Zürich abhebt, voller Anspannung und Unruhe. Schreckmomente sind ein nicht näher bestimmbares Blitzlicht in einem Prager Restaurant, eine unerwartete Begegnung mit einem Kommilitonen aus der DDR und eine Verwechslung am Flughafen. Von der Akribie, mit der der Vater die Flucht geplant hat, zeugen auch die Stempelproben, die dem Autor noch erhalten sind und die der Vater aufwändig hergestellt hat, um dann am Prager Flughafen festzustellen zu müssen, dass die Stempel für der Einreise geändert worden sind. Immer wieder wird die Geschichte durch Einschübe mit der damals geltenden Gesetzeslage zur Republikflucht unterbrochen, so dass für die Leserinnen und Leser schnell deutlich wird, dass auch dieser Plan, die DDR zu verlassen ein gefährlicher war. Gefährlich war am Ende aber auch das Risiko, dass Mutter und Vater eingegangen sind, denn sie haben sich kaum gekannt. Was, wenn die Beziehung nicht hält und die Mutter feststellen muss, dass sie, aufgewachsen in Ostdeutschland in einer anderen Gesellschaftsordnung, für ihre Liebe und das Leben in Zürich vielleicht zu viel aufgegeben hat?

Didaktische Hinweise

Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ eignet sich sehr gut als Schullektüre in der Oberstufe. Hierzu gehört nicht nur, dass es sich um eine zeitgenössische Novelle handelt, sondern auch, dass sich die Novelle inhaltlich und thematisch sehr gut in den Lehrplan des Deutsch- und Geschichtsunterrichts einfügt. Ausgehend von dem Text, kann zusammen mit den Schülerinnen und Schülern die Geschichte der DDR erforscht werden. Die Novelle beruht auf wahren Tondokumenten, der eigenen Recherche und Erinnerungen des Autors, der 1993 eine Reise nach Prag unternommen hat, um die Fluchtroute seiner Eltern zu rekonstruieren.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Geschichte

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Kulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2024

ISBN

9783518474488

Umfang

122 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book