Susanne Gregor: Halbe Leben
Besprechung
In dem Roman „Halbe Leben“ von Susanne Gregor geht es um die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Klara, einer erfolgreichen Architektin und Paulína, einer slowakischen Altenpflegerin, die sich um Klaras Mutter kümmert. Der Roman beginnt mit dem mysteriösen Tod von Klara, die in Anwesenheit von Paulína bei einer gemeinsamen Wanderung eine Böschung herabstürzt. Der Vorfall wird von der Polizei als Unfalltod eingestuft, für die Leserinnen und Leser des Romans bleibt es jedoch unklar, ob es sich tatsächlich um einen Unfall handelt oder ob andere Faktoren eine Rolle gespielt haben könnten. Ausgehend von Klaras Tod wird anschließend in der Rückschau die komplexe Beziehung und Lebenssituation der beiden Frauen erforscht.
Klara lebt zusammen mit ihrer Familie in einem großen modernen Haus im österreichischen Kremstal. Sie ist verheiratet mit Jakob, einem freischaffenden Fotografen, gemeinsam haben sie eine 10-jährige Tochter, Ada. Klara geht voll und ganz in ihrem Job auf, sie ist die Hauptverdienerin. Als Mutter fühlt sie sich jedoch oft überfordert, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Dankbar nimmt sie die Hilfe ihrer Mutter Irene an, die sich um Ada kümmert, solange Klara ihrer Arbeit nachgeht. Das geht so lange gut, bis Irene einen Schlaganfall hat und von einem auf den anderen Tag zum Pflegefall wird. Neben Ada muss sich Klara nun auch um ihre Mutter kümmern, die in die Einliegerwohnung des großen Hauses zieht, wobei Klara schnell feststellen muss, dass sie Beruf, Kind und Pflege der Mutter alleine nicht schaffen kann, Jakob ist leider keine große Hilfe. In ihrer Not wendet sich Klara an eine Agentur, die Pflegekräfte aus dem Ausland vermittelt. Die Familie hat Glück, im vierzehntägigen Turnus wechseln sich fortan Radek und Paulína mit der Pflege von Irene ab. Während Radek ein Fremdkörper im Haus bleibt, ist Paulína ein wahrer Lichtblick. Selbst Irene entwickelt nach anfänglicher Ablehnung zu Paulina, die freundlich und pragmatisch den Haushalt führt, einen Draht zu der slowenischen Pflegekraft und Paulína wird schnell zu einer unentbehrlichen Hilfe, so dass Klara und Jakob sie gerne mit Zusatzdiensten beauftragen, die sie großzügig entlohnen. Genau hier liegt aber auch das Problem: Klara und Jakob erkennen nicht, in welche zusätzliche Zwangslage sie Paulína dadurch bringen, deren zweiwöchige Aufenthalte in Österreich ohnehin von Schuldgefühlen, der Sehnsucht nach ihren Söhnen und von persönlicher Resignation geprägt sind. Paulína ist alleinerziehend, die Arbeit musste sie annehmen, um ihre beiden halbwüchsigen Söhne, die während ihrer Zeit in Österreich bei der Schwiegermutter leben, finanziell durchzubringen. Während Paulínas erster Abschied von den Söhnen noch tränenreich war, wenden sich die beiden Jungen immer mehr von ihrer Mutter ab. Paulína versucht die Lücke, die sie hinterlässt, durch Geschenke, die sie sich eigentlich nicht leisten kann, zu kompensieren. Diese können aber ihre emotionale Abwesenheit nicht ersetzen. Die Zeit, in der sie nicht für ihre Söhne da ist, lässt sich nicht wieder gutmachen.
Didaktische Hinweise
Der Roman „Halbe Leben“ lässt sich auch sehr gut im Deutschunterricht der Oberstufe einsetzen. Durch Klara und Paulína wird nicht nur die gesellschaftliche Ungleichheit zwischen verschiedenen Lebenswelten verdeutlicht, sondern auch die damit verbundenen Rollenerwartungen, die sich sehr gut zusammen mit den Schülerinnen und Schülern aus dem Roman ermitteln lassen. Hinzu kommt die prekäre Situation und die damit verbundene Abhängigkeit von ausländischen Pflegekräften, deren persönliche Situation in der Gesellschaft wenig thematisiert wird. Der Roman kann somit auch einen wichtigen Beitrag im Rahmen der aktuellen Migrationsdebatte leisten.
Mögliche Fragen zur Behandlung von „Halbe Leben“ im Unterricht:
-
Wie gestalten sich die unterschiedlichen Lebenswelten von Klara und Paulína?
-
Wie sind die Rollen zwischen Jakob und Klara im Roman aufgeteilt?
-
Was bedeutet es für Klara, sich um ihre pflegebedürftige Mutter zu kümmern? (Pflegenotstand, Probleme einer alternden Gesellschaft)
-
Welche Erwartungen haben Klara und Jakob an Paulína und Radek, wie unterscheiden sich die beiden? (Anspruchsdenken, Arroganz, Reichtum, Ausbeutung)
-
Wie kompensieren Klara und Paulína ihre Schuldgefühle? Welche Rolle spielt hierbei Konsum?
-
Beschreibe Paulínas Doppelleben in Österreich und Slowenien (gesellschaftliche Situation soziale Unterschiede)
-
Wie gehen Paulínas Söhne Riso und Andrej mit der Abwesenheit der Mutter um?
-
Handelt es sich am Ende des Romans um einen Unfall oder um Mord?

Gattung
- Romane
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
Erscheinungsjahr
2025ISBN
9783552075238Umfang
189 SeitenMedien
- Buch