Wolfgang Herrndorf: Stimmen
Besprechung
Texte, die bleiben sollten
Die „Stimmen“, die man durch die Texte hören kann, sind vielgestaltig: Neben amüsanten autobiographischen Erzählungen, wie z. B. der von einer schamlosen Toilettenbenutzerin, der vom ersten Puffbesuch oder der von der Berufung zum Schöffen stehen auch Gedichte und Einzelepisoden, die nachdenklich machen. Im typischen Herrndorf-Sound begegnet man da einem jungen Mann, der einer offensichtlich geistig verwirrten Frau an der Tramhaltestellen helfen möchte. Ein Türke beobachtet die Szene und bietet ebenfalls seine Hilfe an, was zum Streit zwischen den beiden edlen Helfenden führt. Natürlich geht es um die Frage, wer die alte Dame nach Hause bringt und wer sich um den Inhalt ihres Geldbeutels „kümmert“. Eine andere Geschichte erinnert stark an „Tschick“: Ein Chinese, ein unter Drogeneinfluss stehender Hendrik und der Ich-Erzähler erleben ein ziemlich verrücktes Abenteuer mit einem geklauten Auto. Anrührend sind die kurzen Erzählungen aus der Kindheit: Es geht dabei vor allem um erste Schwärmereien, die wunderbar lakonisch-authentisch von Herrndorf festgehalten wurden. Wer kann sich nicht darin wiederfinden?
Didaktische Hinweise
Einzelne Erzählungen können im Unterricht hervorragend als Beispiele für moderne Kurzprosa eingesetzt werden. Vor allem erzählerische Gestaltungsmittel der Postmoderne können eingeführt und beispielhaft an den Texten aufgezeigt werden (z. B. D10 Gymnasium 2.2: Literarische Texte verstehen und nutzen).
Außerdem kann anhand dieser Textsammlung ein wichtiger Aspekt angesprochen und diskutiert werden: In Anlehnung an Max Brods Umgang mit den Erzählungen von Franz Kafka muss die Frage gestellt werden, ob es statthaft ist, sich über den erklärten Willen des Autors hinwegzusetzen und die zu Lebzeiten unveröffentlichten Texte zu publizieren. Herrndorf kümmerte sich mit Ausbruch seiner Krebserkrankung um den nicht publizierten Teil seiner schriftstellerischen Arbeit und verfügte ganz präzise, was vernichtet werden solle. Dabei hatte er im Blick, welche seiner Arbeiten ihn überleben und sein Bild als Künstler prägen würden. Die im vorliegenden Buch zusammengestellten Texte wurden von ihm zu Lebzeiten auf Lesungen vorgetragen oder im Internet unter dem Pseudonym „Stimmen“ veröffentlicht.
Gattung
- Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher
Eignung
in Auszügen geeignet und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 9 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Philosophie
FÜZ
- Werteerziehung
- Sprachliche Bildung
Erscheinungsjahr
2018ISBN
9783737100571Umfang
192 SeitenMedien
- Buch
- E-Book
- Hörbuch