mobile Navigation Icon

Ursula Poznanski: Scandor

Besprechung

In ihrem neuen Thriller „Scandor” greift Ursula Poznanski ein hochaktuelles Thema auf, den Umgangs mit modernen technischen Möglichkeiten der Überwachung auf, hier in der Form eines Lügendetektors, und verknüpft es mit der philosophischen Frage nach dem Umgang mit der Wahrheit.

Die Hauptfiguren Philipp und Tessa, junge Erwachsene auf der Suche nach sich selbst, erhalten die Möglichkeit, mit 100 anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an einem Wettbewerb teilzunehmen, bei dem ihnen ein Überwachungsgerät, genannt Scandor, angelegt wird, das überprüft, ob sie während des Wettbewerbs alle Fragen, die ihnen gestellt werden, beantworten und dabei stets die Wahrheit sagen. Dem Sieger/der Siegerin wird ein Preisgeld von fünf Millionen Euro in Aussicht stellt, das eine hohe Motivation darstellt. Um die Ernsthaftigkeit und das Interesse am Sieg jedoch noch zu steigern, muss jeder/jede im Vorhinein einen Wetteinsatz formulieren, den er bzw. sie beim Ausscheiden erfüllen wird und bei der er/sie sich der eigenen größten Angst stellen muss. Dieser Zusatz ist im Verlauf des Romans, in dem nach und nach die Kandidaten und Kandidatinnen ausscheiden, spannungssteigernd, denn er führt jeden/jede an die eigenen Grenzen. Auch wenn es zunächst einfach erscheint, für einige Tage stets die Wahrheit zu sagen, zeigt sich sehr rasch, in wie vielen Situationen die Teilnehmenden Notlügen, Ausreden oder Höflichkeitsfloskeln anwenden, die unmittelbar zum Ausscheiden führen. Da dies aufgrund der Tätigkeit oder der Lebenssituation unterschiedlich ausgeprägt ist, verdeutlicht Scandor, dass es keine Option ist, sich für ein paar Tage zurückzuziehen. Im Gegenteil werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer wieder Aufgaben gestellt, um den Wettbewerb voranzutreiben, die sie in unangenehme Situationen bringen oder gegeneinander antreten lassen und bei denen viele ausscheiden. Dabei begleitet der Roman abwechselnd Philipp und Tessa, deren Wege sich während der Challenge mehrfach kreuzen, gibt aber immer wieder Ausblicke auf andere Teilnehmende. 

Poznanski gelingt es, durch die Wettkampfatmosphäre einen sehr spannenden Roman zu verfassen, bei dem sich die Leserinnen und Leser in die Figuren und deren sich steigernde Notlage hineinversetzen können. Die Herausforderungen werden immer größer und es gibt mehrfach unerwartete Wendungen, sodass es sowohl den Figuren als auch den Leserinnen und Leser zunehmend fragwürdig erscheint, ob die Teilnehmenden per Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Neben dem Wettbewerb um die Wahrheit wird nach und nach noch ein zweiter Handlungsstrang erkennbar, den es zu entschlüsseln gilt. Zugleich führt die Lektüre zum Nachdenken darüber, was das Aussprechen der Wahrheit in zwischenmenschlichen Beziehungen bewirken kann und ob dies immer sinnvoll und notwendig ist. Bei dem Versuch, nichts Unüberlegtes und Unwahres zu sagen, entwickeln die Figuren eine große Sprachsensibilität, die sich auf den Leser/die Leserin überträgt und zum Nachdenken animiert.

Didaktische Hinweise

Der Thriller eignet sich sehr gut als Klassenlektüre für die Jahrgangsstufen 9 bis 11, weil er zum Nachdenken darüber anregt, wie alltäglich wir versucht sind, in wichtigen oder unwichtigen Situationen uns mit (Not)Lügen zu behelfen, um unsere Mitmenschen nicht zu verletzen, zu brüskieren oder weil es schlicht einfacher scheint. Es schärft die Aufmerksamkeit für den Umgang miteinander und kann als Experiment im Kleinen wiederholt werden, in dem beispielsweise jede Schülerin/jeder Schüler aufgefordert wird, für sich selbst zu notieren, in welchen Situationen er/sie es vermeidet, die Wahrheit zu sagen bzw. wie es gelingen kann, ehrlich gegenüber den Mitmenschen zu sein, ohne sie zu verletzen. Dabei kann man in Anlehnung an das Verhalten der Hauptfiguren Strategien identifizieren und reflektieren, die es beiden erlauben, die vom Wettbewerb geforderte Aufgabe zu erfüllen. 

Des Weiteren bietet der Roman die Chance, moderne technische Errungenschaften zu reflektieren, so erinnert die Bereitschaft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich auf Schritt und Tritt von dem ihnen angelegten Scandor überwachen zu lassen, an die Unbesorgtheit, mit der viele Menschen Bewegungs-, Gesundheits- und andere persönliche Daten an Apps preiszugeben, um zunehmend zu gläsernen Menschen zu werden. Auch eine Untersuchung des Schreibstils von Poznanski und wie es ihr gelingt, Spannung aufzubauen, sind im Unterricht gewinnbringend und leisten einen Beitrag zum literarischen Lernen. Somit ist die Beschäftigung mit dem Roman sehr zu empfehlen, er kann auf vielfältige Weise zur Leseförderung und zum Aufbau literarischer Kompetenz beitragen.

Gattung

  • All Age
  • Fantasy
  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 11

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Medienbildung/Digitale Bildung
  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2024

ISBN

9783743216594

Umfang

448 Seiten

Medien