Kirsten Boie: Heul doch nicht, du lebst ja noch
Besprechung
Bei Kirsten Boies Jugendroman mit dem Titel „Heul doch nicht, du lebst ja noch“ handelt es sich um einen Nachkriegsroman, der in Hamburg unmittelbar nach der Befreiung durch die britischen Alliierten im Frühsommer im Jahr 1945 spielt. Im Mittelpunkt stehen drei Jugendliche, die sich eher durch Zufall in der völlig zerstörten Stadt treffen. Ihr Leben ist bestimmt vom alltäglichen Mangel und vom Hunger: Da ist zunächst Jakob, dessen Mutter mit einem der letzten Transporte nach Theresienstadt gekommen ist. Jakob selbst wurde von Herrn Hofmann, einem früheren Nachbarn, in einem zerbombten Haus versteckt. Als dieser jedoch einfach verschwindet, muss Jakob sich um sich alleine kümmern. Um nicht zu verhungern, stielt er heimlich Brot von Traute, der Tochter des Bäckers, die das Brot wiederum braucht, um die Jungen auf der Straße zu bestechen, damit sie mit diesen Fußball spielen darf. Trautes Freundinnen sind entweder durch Bomben umgekommen oder verschwunden. Unter den Jungen befindet sich auch der 14-jährige Hermann, der HJ-Führer war und der immer noch seine HJ-Uniform trägt. Hermann muss sich um seinen Vater kümmern, ein überzeugter Nationalsozialist, dem beide Beine amputiert worden sind. Alle zwei Stunden muss sich Herrmann beim Vater blicken lassen, um zu sehen, ob er ihn auf die Toilette, die sich im Zwischengeschoss befindet, tragen muss. Allen drei Jugendlichen ist gemeinsam, dass sie durch ihre schlimmen Kriegserfahrungen traumatisiert sind. Als Jakob eines Tages bei dem Versuch, Essen zu stehlen, von den anderen Kindern entdeckt wird, verschweigt er zunächst seine jüdische Identität. Während Hermann das Schicksal der Juden immer noch für gezielte Feindpropanda der Alliierten hält und davon überzeugt ist, dass die Siegermächte die Wahrheit über die Konzentrationslager bewusst verbreiten, um die Ehre des deutschen Volks zu beschädigen, hat Traute plötzlich eine Erklärung für das plötzliche Verschwinden vieler Nachbarn.
Didaktische Hinweise
Kirsten Boies Roman „Heul doch nicht du lebst ja noch“ eignet sich sehr gut als Klassenlektüre und ist, vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, von erschreckender Aktualität. Während es viele Jugendbücher gibt, die sich mit der Judenverfolgung während des Nationalsozialismus beschäftigen, gibt es eher wenige, in denen es um die Zeit unmittelbar nach Beendigung des Krieges geht. Im schulischen Kontext werden hier v. a. die Kurzgeschichten Wolfgang Borcherts gemeinsam mit den Schüler/-innen gelesen, die der Trümmer-Literatur zuzuordnen sind. „Heul doch nicht, du lebest ja noch“ kann sehr gut in der Mittelstufe herangezogen werden, um den Schüler/-innen von dieser Zeit, von der es auch immer weniger Augenzeugen gibt, zu berichten. Kirsten Boie zeigt nicht nur eindrücklich den Überlebenskampf vieler Menschen im völlig zerstörten Hamburg, sondern es wird auch deutlich, wie sehr das Denken vieler Deutscher immer noch von der NS-Ideologie durchdrungen war. Ein wichtiger historischer Aspekt, der in dem Buch thematisiert ist, ist die Denazifizierung, bei der die Menschen eine behördliche Prüfung durchlaufen und nachweisen mussten, wie sie sich während der Zeit im Nationalsozialismus verhalten haben.
Weiterführende Links:
Gattung
- All Age
- Romane
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 7 bis 9Fächer
- Deutsch
- Geschichte
FÜZ
- Alltagskompetenz und Lebensökonomie
- Kulturelle Bildung
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2022ISBN
9783751201636Umfang
192 SeitenMedien
- Buch