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Andreas Götz: Wir sind die Wahrheit

Besprechung

In seinem Jugendroman „Wir sind die Wahrheit“ erzählt Andreas Götz die Geschichte der circa 18-jährigen Leah, deren Zwillingbruder Noah im Koma liegt, nachdem er von einer unbekannten Gruppe junger Männer, die eventuell Migrationshintergrund haben, zusammengeschlagen wurde. Von diesem alles verändernden Ereignis nimmt die Geschichte ihren Ausgangspunkt, um sowohl dem Verhältnis der Geschwister als auch den Veränderungen nachzuspüren, die die Geschwister entfremdet haben, ehe es zu der Tat kam. Dazu begibt sich Leah auf Spurensuche und erhält über Snatchat anonym Videos zugespielt, in denen Noah seine sich verändernde Geisteshaltung dokumentiert.
Kannten Leah, die Eltern und Freunde Noah als einen jungen Menschen, der politisch links orientiert war und sich für Migranten engagierte, so wird aus den Videos deutlich, dass er immer stärker in die rechte Szene eintauchte und deren Ideologien vertrat, was, so versteht Leah nach und nach, mit einer persönlichen Enttäuschung über eine nicht erwiderte Liebe zu tun hat, bei der ihm ein junger Migrant vorgezogen wurde.

Der aus der Ich-Perspektive geschriebene Roman zeigt Leahs Auseinandersetzung mit der belastenden Situation des im Koma liegenden Bruders und ihren Umgang mit den neuen Informationen, die sie lange für sich behält, um ihren Eltern nicht noch zusätzliche Sorgen aufzuladen und um das Ansehen des Bruders in der Familie und im Freundeskreis nicht zu beschädigen.
Dabei folgt sie auch den Wegen, die ihr Bruder gegangen ist und gerät selbst in den Bann einer rechtsradikalen Gruppe, in deren Anführer Alexander sie sich verliebt und mit deren Weltanschauung sie sich beschäftigt, um ihren Bruder, aber auch Alexander besser zu verstehen. Nach und nach erkennt sie, dass die Gruppe und besonders Alexander und dessen kluge und zunächst sehr sympathische Schwester Sandra sie benutzen, um ihre Demagogie zu verbreiten.
Der Roman erzählt damit parallel zwei sehr unterschiedliche Geschichten, nämlich die von Noah und dessen schleichende Wandlung vom engagierten Liberalen zum Rechtsextremisten, und die von Leah und ihrer verzweifelten Suche nach der Wahrheit, die sie zu einer zwischen Faszination und Abwehr schwankenden Haltung gegenüber den agitatorischen rechten Thesen veranlasst.
Schritt für Schritt entdeckt Leah, wer Noah lebensgefährlich verletzt und die Videos verschickt hat – und warum. Und noch etwas wird am Schluss bestürzend deutlich: Wie das Internet und mit ihm E-Mails, Kurznachrichten und Screenshots die Gewalt noch einmal potenziert.

Es gelingt Andreas Götz, die radikale Gesinnung von Leahs neuen Freunden sachlich zu dokumentieren und zugleich klar zu machen, wie unlogisch, hetzerisch und letztendlich unmenschlich sie ist. Leah – und mit ihr die Leserinnen und Leser – entdecken, dass dort, wo es nur noch eine Wahrheit gilt, die Demokratie stirbt.

Didaktische Hinweise

Der Roman eignet sich als Klassenlektüre für die Jahrgangsstufen 8-10 und leistet einen bedeutsamen Beitrag zur Demokratieerziehung, indem er sich mit rechtem bzw. rechtsradikalem Gedankengut auseinandersetzt und die diesen inhärenten Gefahren verdeutlicht. Dabei zeigt er sowohl auf, wie einzelne Sympathieträger andere in ihren Bann zu ziehen vermögen als auch, dass persönliche Enttäuschungen oder starke Gefühle wie Liebe unter Umständen die Rationalität außer Kraft setzen und damit Personen anfällig machen können für die Verführungen einfacher Welterklärungsmodelle. Gerade angesichts der großen Zunahme von rechten Ideologien und dem Erfolg von Rechtspopulisten in Deutschland und vielen Ländern Europas und anderen Teilen der Welt, stellt Götz‘ Roman einen wichtigen Beitrag zum Nachdenken über die Werte der Demokratie dar.

Denkbar wäre es auch, das Buch im Rahmen einer Buchvorstellung durch einen Schüler oder eine Schülerin präsentieren zu lassen und im Unterricht einen Auszug gemeinsam zu lesen.

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 10

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783791501482

Umfang

288 Seiten

Medien

  • Buch