Grit Poppe: Verraten
Besprechung
Ein packender Roman über einen jugendlichen Spitzel in der DDR
Grit Poppes Romane über das Leben Jugendlicher in der DDR sind mit vielen Preisen ausgezeichnet worden; häufig geht es um die berüchtigten „Jugendwerkhöfe“ und um Erziehungsheime, über die Grit Poppe zusammen mit Niklas Poppe auch ein Sachbuch („Die Weggesperrten“) geschrieben hat.
Der Roman „Verraten“ spielt im Jahr 1986 und greift ebenfalls die Zustände in den Heimen der DDR auf, aber zentral geht es um den Einsatz Jugendlicher als Spitzel für die Staatssicherheit. Erzählt wird das Schicksal zweier Jugendlicher, Katjas und Sebastians, die aus unterschiedlichen Gründen in die Fänge des staatlichen Erziehungssystems geraten. Als Sebastians Mutter stirbt, wird seine Großmutter kurz darauf in eine Altenheim gebracht, und Sebastian wird gegen seinen Willen in ein „Durchgangsheim“ verschleppt; inwieweit bereits dieses Szenario auf das Wirken der Staatssicherheit zurückgeht, wird auch am Schluss nicht ganz klar, aber der Verdacht liegt nahe.
Sebastians Vater hat aus politischen Gründen eine Haftstrafe verbüßt, was Sebastian erst später erfährt, und holt seinen Sohn, der ihn kaum kennt, aus dem Durchgangsheim in seine kleine, heruntergekommene Wohnung. Katja, die Sebastian in diesem Heim kennenlernt, leidet unter einer alkoholkranken Mutter, will aber ihre kleine Schwester nicht völlig alleine lassen. Katja ist bereits in vielen Heimen gewesen und immer wieder entweder von Zuhause oder aus den Heimen geflohen. Sebastian und sein Vater ermöglichen Katja, ohne es zu wissen, die Flucht. Denn Sebastians Vater arbeitet seit seiner Haftentlassung als Bestatter und holt seinen Sohn mit einem Leichenwagen ab, in dem sich Katja versteckt. Sebastian wird ihr später helfen und sie heimlich auf dem Dachboden unterbringen und sie mit Essen und Kleidung versorgen.
Sebastian geht nun in eine neue Schule und gewöhnt sich an das Leben mit seinem Vater Gerry. Aber die Staatssicherheit hat bereits sowohl ihn als auch Gerry im Blick und heuert den Jungen an; er soll zunächst seine Klassenkameraden ausspionieren und versuchen, sich in Umweltorganisationen einzuschleusen und seinem Führungsoffizier Bericht erstatten. Sebastian lässt sich auf den freundlichen Herrn Möller ein, um Katja, die immer noch frei und auf der Flucht ist, und seinen Vater zu schützen, aber auch, weil Herr Möller so fürsorglich ist, ihm Geschenke macht, Geld gibt und ihn wie einen Erwachsenen behandelt; allerdings setzt ihn Herr Möller zuletzt auch auf seinen Vater an und Sebastian verzweifelt fast an seiner Lage. Schließlich beichtet Sebastian Katja und Gerry, dass er Gerry ausspionieren sollte und weil sie diese Tatsache der Staatssicherheit mitteilen, werden sie zunächst in Ruhe gelassen, denn ein enttarnter Spitzel hat keinen Nutzen mehr.
Didaktische Hinweise
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht Sebastians und Katjas erzählt. Katja schildert ihre Erlebnisse als Ich-Erzählerin, während Sebastians Geschichte ein personaler Erzähler wiedergibt. Die Handlung ist rasant und packend und reißt sicherlich auch junge Leserinnen und Leser mit.
Bei der Besprechung des Romans sollte man natürlich mit den Lehrkräften der Fächer Geschichte und Sozialkunde zusammenarbeiten, sodass eine historische Einordnung des Romans gelingt. Der Anhang enthält ein sehr beeindruckendes Interview mit einem Mann, der 1985 im Alter von 15 Jahren Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit wurde. So kann die Wirklichkeit mit der Fiktion verglichen werden. Außerdem gibt es auf der Website des Dressler Verlags ein sehr umfangreiches und hervorragend gemachtes Unterrichtsmodell mit ausgearbeiteten Arbeitsblättern samt Lösungen; darin werden die politischen und gesellschaftlichen Strukturen der DDR aufbereitet, die Charakteristik der Figuren und ihr Verhalten werden aufgegriffen, kreative Schreibaufträge sorgen für Abwechslung und ein Interview mit Grit Poppe beschäftigt sich mit der Biographie und der Arbeitsweise der Autorin. Für weitere Informationen kann man auch Grit Poppes Homepage besuchen oder die Schülerinnen und Schüler dort über das Gesamtwerk der Schriftstellerin recherchieren lassen.
Grit Poppes Roman ist für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 nominiert worden.
Gattung
- Romane
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 8 bis 10Fächer
- Deutsch
- Geschichte
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
FÜZ
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2020ISBN
9783791501642Umfang
336 SeitenMedien
- Buch
- E-Book