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Sarah Moss: Geisterwand

Besprechung

Es sieht wie ein Ferienabenteuer aus, entpuppt sich aber als ein Anlass männlicher Übergriffe und familiärer Gewalt. Ein Familienvater mit einem Faible für Geschichte plant mit einem befreundeten Professor und seinen Studenten ein Experiment: Sie wollen bei einem Sommer-Camp das Leben der Menschen in Northumberland in der Eisenzeit möglichst authentisch nachbilden. Frau und Tochter des geschichtsbeflissenen Busfahrers müssen mitmachen, es sind Sommerferien, es gibt keine Wahl. Von Anfang an sind die Studenten im Vorteil: Sie tragen Tennissocken und schlafen in modernen Nylonzelten, während die Frauen der Familie, Mutter und Tochter, Tunika tragen und in einem Rundhaus schlafen müssen, das die Studenten im Rahmen eines Archäologie-Kurses gebaut haben.

Silvie, die Tochter im Teenageralter, erzählt die Geschichte aus der Sicht der widerwillig folgsamen Tochter. Auch wenn sie das ganze sogenannte Abenteuer eher nervt, gibt sie die historischen Fakten so wieder, wie sie es von ihrem Vater gelernt hat. Sie ist mit ihrem Vater in anderen Ferien den ganzen Hadrianswall entlanggewandert und folgt den strengen Regeln ihres Vaters, was Kleidung und Nahrung angeht. Während die Jungen angeln gehen, sammelt sie mit Molly, der einzigen Frau unter den Studentinnen, Pilze und essbare Pflanzen. Trotz Silvies Bedenken ergänzen sie den eintönigen Speiseplan durch Toast und Schinken aus einem Supermarkt und baden im Meer. Das alles klingt nach Abenteuer, bis zwischen den Zeilen von Silvies Bericht immer deutlicher zutage tritt, dass die beiden Männer, vor allem Silvies Vater, mit dem Projekt ihre Gewaltphantasien ausleben. Mutter wie Tochter tragen schließlich sichtbare körperliche Spuren der Misshandlung durch den Vater. Am Höhepunkt des Unternehmens soll ein heidnisches Opferfest nachgestellt werden, für die eine Geisterwand, geschmückt mit Kaninchenköpfen errichtet wird. Der Professor erklärt Silvie, dass sie dabei die Rolle des Sündenbocks spielen wird, nur damit man erleben kann, wie sich das so anfühlt, wenn ein Mensch geopfert wird. Zum ersten Mal wagt Silvie einen Ausbruch aus dem System der Unterdrückung, indem sie Molly davon erzählt und die ganze Geschichte endet in einem schauerlichen Shutdown.

Didaktische Hinweise

Hexenverfolgungen und Menschenopfer sowie die Geschichte des Gebiets um den Hadrianswall bilden den Hintergrund der Erzählung. Wie sich Gewalt in gesellschaftlichen und familiären Kontexten entwickeln und durchsetzen kann und wie man dem entkommen kann, ist ein wichtiges Thema. Die Figuren der Korbflechterin und der Hebamme unterstützen neben Molly Silvies Selbstbehauptung gegenüber dem männlichen Hang zu töten und über das Kämpfen zu reden. Viele beispielhafte Szenen metaphorischer und realer Gewalt werden von einer anscheinend naiven Erzählerin ungefiltert wiedergegeben. Ein Vergleich mit William Goldings „Herr der Fliegen“, 2017 neu übersetzt von Peter Torberg, oder Kyrie McCauleys „You are not safe here“ (2020) ist denkbar.

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 13

Fächer

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783827014139

Umfang

158 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book