Richard Russo: Jenseits der Erwartungen
Besprechung
Bei Richard Russos Roman mit dem Titel „Jenseits der Erwartungen“ handelt es sich um ein Stück amerikanische Zeitgeschichte. Die Geschichte, die Richard Russo erzählt, dreht sich um das ungeklärte Verschwinden der Studentin Jacy Calloway aus dem Jahr 1972, das auch nach 44 Jahren ihre drei Studienfreunde Lincoln, Mickey und Teddy, die alle in Jacy verliebt gewesen sind, noch umtreibt. Die Freunde, die nicht nur aus ganz unterschiedlichen Regionen der USA kommen, sondern ganz unterschiedlichen sozialen Milieus entstammen, haben alle gemeinsam an dem humanistischen Minvera College in Connecticut studiert, an dem auch Jacy war. Lincoln, Mickey und Teddy, die alle mittlerweile der amerikanischen liberalen Elite angehören, treffen sich im Jahr 2016 in Lincols Ferienhaus in Chilmar auf Martha`s Vineyard, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Ende der Amtszeit Barack Obamas abzeichnet und sich das Land zu spalten beginnt. In den sich abwechselnden Kapiteln, die mit dem jeweiligen Namen des Protagonisten überschriebenen sind, erfahren die Leser/-innen in Rückblenden, wie die drei Männer zu dem geworden sind, als der Roman einsetzt. Dabei zeigt sich, dass sich das Leben von Lincoln, Mickey und Teddy trotz ihres relativen materiellen Wohlstands, in dem sie jetzt leben, in der Rückschau auch als ein Leben vieler verpasster Chancen und nicht gelebter Träume gestaltet. So hat Lincoln z. B. den Immobiliencrash von 2008 einigermaßen gut überstanden, doch quälen ihn seither Fragen, was genau den Erfolg im Leben ausmacht und wozu man diesen überhaupt braucht. Wie sich zeigt, hinterlässt der viel versprochene „pursuit of happyness“ wie er in der amerikanischen Verfassung formuliert ist, bei allen dreien eine innere Leere und Hilflosigkeit, die sich nicht nur in ihrem persönlichen Verlust von Jacy äußert, sondern auch in einem Gefühl des Ausgeliefertseins an die Gesellschaft. Eine Erfahrung, die die drei Freunde schon sehr früh gemacht haben, als mit dem Eintritt der USA in den Vietnamkrieg im Jahre 1969 die Einberufungslotterie darüber entschieden hat, wer von ihnen am College weiter studieren durfte und wer nicht.
Didaktische Hinweise
Bei „Jenseits der Erwartungen“ handelt es sich um einen sehr komplexen und anspruchsvollen Roman, der nur lesebegeisterten und an der amerikanischen Geschichte interessierten Schülerinnen und Schüler der Oberstufe zur Lektüre empfohlen werden kann.
Nichtsdestotrotz liefert er einen tiefen Einblick in die jüngere amerikanische Geschichte und Gesellschaft, die den amerikanischen Traum und seine Versprechungen kritisch hinterfragt. Eingebettet ist diese Handlung in die zunehmend immer spannender werdende Geschichte um das Verschwinden von Jacy, das sich in der zweiten Hälfte des Romans zu einer Kriminalgeschichte entwickelt, und dessen Aufklärung in der Freundschaft der drei Jugendfreunde begraben liegt.
Gattung
- Romane
Eignung
themenspezifisch geeignetAltersempfehlung
Jgst. 11 bis 12Fächer
- Englisch
- Deutsch
- Geschichte
FÜZ
- Interkulturelle Bildung
- Alltagskompetenz und Lebensökonomie
- Berufliche Orientierung
- Soziales Lernen
- Politische Bildung
Erscheinungsjahr
2020ISBN
9783832181154Umfang
432 SeitenMedien
- Buch
- E-Book