Andrea Marcolongo: Das Meer, die Liebe, der Mut aufzubrechen

Besprechung

Was uns die Argonautensage erzählt

Andrea Marcolongo fordert in ihrem eindringlichen und teilweise sehr persönlichen Buch die Leserinnen und Leser dazu auf, aufzubrechen und „sich aufs Meer“ zu wagen, sich gleichermaßen wie Jason dem Unbekannten auszusetzen und aus den Sicherheiten, mit denen wir uns nur allzu gerne umgeben, auszubrechen.

Die promovierte Altphilologin erzählt in ihrem Sachbuch die Argonautensage, die uns durch den Leiter der Bibliothek von Alexandria, Apollonius von Rhodos, überliefert wurde, nach und versucht, die damit verbundenen Botschaften in unsere heutige Zeit zu übersetzen. Gemeinsam mit Jason machen sich die Lesenden auf den Weg mit dem ersten von Menschen erbauten Schiff, der Argo, über das Meer, um das Goldene Vlies zurück nach Griechenland zu bringen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die berühmteste Liebesgeschichte der Antike zwischen Jason und Medea. Die Autorin stellt u. a. klar, dass in der griechischen Antike diejenigen als Helden bezeichnet wurden, die auf ihre innere Stimme hörten, über ihr Leben entschieden und die Prüfung bestanden, sich selbst treu zu bleiben. Ein Held werden, heißt demnach erwachsen werden, indem man sich selbst überwindet und die Aufgaben bewältigt. „Wir alle haben das Zeug zum Helden – das kann man nur wiederentdecken, wenn man übers Meer fährt!“, macht Marcolongo Mut.

Sie bleibt in ihrem Buch in der Metapher des Lebens als einer Schiffsreise: Wir leben an Bord eines Schiffes, das aus dem Hafen ausgelaufen ist. Es ist unterwegs zu einem Hafen, von dem wir nichts wissen. Das goldene Vlies entspricht dem unbekannten Ziel einer jeden Fahrt bzw. des Lebens.

Interessanterweise stellt sie den einzelnen Stationen der Reise jeweils einen kleinen Textauszug aus dem Buch „How to Abandon Ship“ von 1942 voran. Die Motti stellen Strategien dar, wie man die Schiffbrüche des Lebens übersteht und überlebt.

Insofern stellt das Buch nicht nur eine Begegnung mit der Argonautensage, die drei Epochen nach Homers Epos in der hellenistischen Zeit verfasst wurde, dar, sondern will mit seinem Appell, seinen Instinkt zum Aufbruch nicht zu unterdrücken, auch ganz bewusst ein Ratgeber für die Bewältigung unseres modernen Lebens sein.