Klaus Reichold: Warum Bayern ein orientalisches Land ist
Besprechung
Eine vergnügliche Reise durch Bayerns Historie
Der Kulturwissenschaftler Klaus Reichold verweist in seinem erzählenden Sachbuch auf amüsante und überraschende Fakten aus der bayerischen Geschichte. Dabei begründet er die These, dass Bayern ein orientalisches Land sei, sowohl augenzwinkernd als auch sehr überzeugend.
Unter anderem verweist er dabei auf die durchaus bekannte Tatsache, dass die katholische Religion samt nahezu all ihrer Heiligen und der in Bayern besonders verehrten Maria aus dem Orient stammt. Weniger geläufig dürfte sein, dass die bayerische Blasmusik auf die lauten Becken und die großen Trommeln der Janitscharen, osmanischer Elitesoldaten, zurückgeht, die damit ihre Gegner, eben unter anderem die Bayern, in die Flucht schlagen wollten. Auch dass das bayerische Nationalgericht schlechthin, die Weißwurst, exotische Gewürze wie Ingwer und Kardamon enthält, wird so mancher xenophobe Bewohner des Freistaats verdrängt haben.
Aber nicht nur die als typisch bayerisch empfundene Musik, die Religion und die Gerichte haben einen „Migrationshintergrund“, sondern auch die Menschen selbst. Wurde doch von den Römern im zweiten Jahrhundert nach Christus eine Kohorte mit syrischen Bogenschützen stationiert, die den römischen Kriegshafen in Straubing sicherte, und seitdem, das zeigt Reichold umfassend auf, haben sich auf dem Gebiet des heutigen Bayern Menschen aus nahezu aller Herren Länder angesiedelt, die neue Ideen und Errungenschaften mitbrachten. Mit anderen Worten: Ohne die „Zugroasten“ wäre es hier schon sehr finster.
In seinem Kapitel „Warum Oberbayern eine einzige Völkerschau ist“ erläutert Reichold ausführlich, warum fast alles, was als typisch bayerisch (die Erklärung, warum darunter landläufig das Oberbayerische verstanden wird, ist äußerst lehrreich) betrachtet wird, gar nicht aus Bayern stammt, sondern den Einflüssen unterschiedlicher Kulturen zu verdanken ist.
Didaktische Hinweise
Reichholds kulturgeschichtlicher Streifzug durch Bayern ist nicht nur äußerst aufschlussreich und vergnüglich, sondern auch ein Antidot gegen das manchmal recht dumpfe „Mia san mia“, das auf der Rückseite des Buchcovers deshalb in Lettern abgedruckt wird, die an die arabische Schrift erinnern. Dieses Buch sollte unbedingt in jeder Schulbibliothek stehen. Es kann als Grundlage für Referate im Fach Geschichte genutzt werden, zumal die E-Book-Fassung praktischerweise Direktlinks zu den verwendeten Quellen aufweist.
Ein sehr kurzweiliges Video, das Reicholds Thesen bebildert und den Kulturwissenschaftler selbst zu Wort kommen lässt, findet sich auf der Website der Edition Luftschiffer und bietet einen wunderbaren Einstieg in einzelne Aspekte oder Kapitel des Sachbuchs. Ferner werden zwei Audiodateien bereitgestellt; in einer liest Klaus Reichold aus seinem Buch, in der anderen wird er von Katharina Glück interviewt. Reicholds Werk wurde im Dezember 2020 vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als eines der zehn besten Independet-Bücher ausgezeichnet.
Gattung
- Sachbücher
Sachbuchkategorie
- Geschichte, Archäologie
- Kunst, Musik, Film, Fotografie
- Literatur, Lesen, Sprache
Eignung
für die Schulbibliothek empfohlenAltersempfehlung
Jgst. 8 bis 13Fächer
- Geschichte
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
FÜZ
- Interkulturelle Bildung
- Kulturelle Bildung
- Soziales Lernen
- Politische Bildung
Erscheinungsjahr
2020ISBN
9783944936482Umfang
174 SeitenMedien
- Buch
- E-Book