Evelyn Koch: Winterkinder
Besprechung
Walli und seine Freunde Hans und Anton sind aufgeweckte Jungen im Alter von ca. 10 Jahren. Sie halten fest zusammen und trotzen nicht nur dem überheblichen Mitschüler Josef und seinen Anhängern, sondern wissen sich vor allem in den schwierigen Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg mit Witz und einer gehörigen Portion Abenteuermut gegen alle Härten des Lebensalltags zu behaupten. Walli ist ein Flüchtlingskind, dessen Mutter alles dafür tut, ihre drei Kinder – Walli und dessen Schwestern Greta und Helene – durch diese karge Zeit zu bringen und die Familie vor dem Verhungern zu bewahren. Der feinfühlige Junge spürt, wie sehr auch die Mutter in der Notlage leidet, vor allem weil der Vater noch immer als vermisst gilt. Darunter leidet die Familie am meisten. Als Walli zufällig erfährt, dass die Mutter auch noch das letzte Erinnerungsstück an den Vater – ein wunderschönes Armband – gegen ein paar schrumpelige Kartoffeln eingetauscht hat, schmiedet er zusammen mit seinen Freunden einen Plan, das Schmuckstück zurückzuholen. Das gewagte Vorhaben gelingt. Aber wird sich auch Wallis sehnlichster Wunsch erfüllen? Er möchte das Schmuckstück so lange vor der Mutter verstecken, bis er es dem Vater geben kann, damit dieser es der Mutter noch einmal schenken kann.
Didaktische Hinweise
Der Titel „Winterkinder” bezieht sich zunächst auf die Jahreszeit, in der der Kinder- und Jugendroman spielt. Es ist Winter und die Not, die so viele Menschen in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg täglich zu spüren bekommen haben, ist in den eisigen Wintermonaten am größten. Dennoch gelingt es Walli und seinen Freunden auch die schönen Seiten des Winters zu genießen und beim Schlittenfahren oder beim Eislaufen auf dem zugefrorenen See gemeinsam Spaß zu haben. Aber er weiß auch, dass er dem Frühling ein bisschen auf die Sprünge helfen muss. Das wird gleich auf den ersten Seiten des Buches deutlich, als Walli Schnee von den Zweigen der tiefverschneiten Bäume schüttelt und zu seinem Freund sagt: „Ich helf’ dem Frühling!” Und genau deshalb ist „Winterkinder” auch ein symbolischer Titel, denn die Jungen vermögen sich durch den Winter zu kämpfen und bewahren sich die Hoffnung auf einen schönen Frühling. Dieser soll nicht nur wärmere Temperaturen bringen, sondern auch dafür stehen, dass es im Leben der Kinder und ihrer Familien wieder aufwärts gehen kann.
Angesichts der aktuellen Situation – Krieg zwischen Russland und der Ukraine – erscheinen die Erlebnisse der Jungen in dem Buch besonders greifbar. Viele Familien – vor allem Mütter mit Kindern – sind aus der Ukraine geflüchtet und versuchen genauso wie Wallis Familie in einem fremden Land Fuß zu fassen, die schrecklichen Kriegsbilder aus der Heimat im Kopf. Und auch wir hier in Deutschland spüren wir die Auswirkungen dieses Krieges unmittelbar in Form einer Energiekrise. Genauso wie in Winterkinder steht auch uns ein kalter Winter bevor.
Die Autorin Evelyn Koch greift also nicht nur ein schwieriges geschichtliches Kapitel aus der Vergangenheit Deutschlands auf, sondern schlägt mit ihrem 2018 erschienenen Buch vielleicht ungewollt eine Brücke zum aktuellen Weltgeschehen. Die jungen Leserinnen und Leser erfahren nicht nur auf vereinfachte, gut verständliche Weise viel Wissenswertes über den 2. Weltkrieg und dessen Folgen – vor allem für die einfache Bevölkerung. Sondern es kann auch anknüpfend an die Handlung in sensibel geführten Unterrichtsgesprächen ein Bewusstsein für die aktuelle Notlage geschaffen werden. So kann es gelingen, durch den Vergleich mit der Geschichte zu vermitteln, wie wichtig es ist, dass jeglicher Krieg möglichst rasch beigelegt wird und Krieg im Allgemeinen den Menschen niemals Gutes bringt.
Aber auch Alltägliches, was vielen Kindern in Wallis Alter widerfährt, thematisiert die Autorin auf feinfühlige und dennoch humorvolle Weise. Gegen die Mobbingattacken Josefs wissen sich die Jungen auf gewitzte und dadurch witzige Weise zu behaupten. In diesem Bereich kann das Buch den Leserinnen und Lesern ebenfalls Hilfe anbieten und Lösungen aufzeigen. Und ganz grundsätzlich vermitteln die Lausbubenstreiche der Freunde, dass man sich niemals unterkriegen lassen muss.
Evelyn Koch ist ein spannend zu lesendes Kinder- und Jugendbuch gelungen, das auf fesselnde Weise Geschichtliches mit der Lebenswelt vieler Kinder verbindet und so eine breite Leserschicht ansprechen kann. Neben den Hauptakteuren – vier Buben – treten aber auch drei Mädchen in starken Rollen auf, sodass das Buch für Jungen und Mädchen geeignet ist.
Gut bedacht werden sollte von Seiten der Lehrkraft aber der Umfang des Taschenbuches von 308 Seiten in relativ kleiner Schrift sein. Dies stellt für Schülerinnen und Schüler im Alter von 10 bis 12 Jahren eine große Herausforderung dar. Dem fesselnden Inhalt mag es aber gelingen, die Lesemotivation aufrecht zu erhalten. Das Buch ist ein Erlebnis.
Für Lehrerinnen und Lehrer steht Material mit Unterrichtsanregungen zur Verfügung.
Gattung
- Romane
Zielgruppe
JugendlicheEignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 5 bis 6Fächer
- Deutsch
- Geschichte
FÜZ
- Politische Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2018ISBN
9783954527212Umfang
308 SeitenMedien
- Buch