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Kathrin Schrocke: Weiße Tränen

Besprechung

Erster Schultag nach den Sommerferien: Das Kant-Gymnasium in einem nicht näher bestimmten Ort im Schwarzwald, das seit kurzem das Label „Schule ohne Rassismus“ trägt, bekommt mit Benjamin einen neuen Schüler, den ersten mit schwarzer Hautfarbe. Der Ich-Erzähler Lenni, der Schulleiter und auch andere Schülerinnen und Schüler begrüßen ihn aus ihrer Sicht freundlich und halten sich für weltoffen, merken jedoch rasch, dass Benjamin darauf gereizt reagiert und verdeutlicht, dass er die Äußerungen als latent rassistisch empfindet. So teilt der Schulleiter ihm fröhlich mit, dass sie stolz sein, viele verschiedene Nationalitäten an der Schule zu haben, was Benjamin mit dem Hinweis kontert, er sei Leipziger. Auch die Bemerkung einer Mitschülerin, er könne doch bestimmt „supergut tanzen“, weist er zurück. Er möchte weder mit positiven noch mit negativen Stereotypen konfrontiert werden und verdeutlicht das selbstbewusst, womit er sofort Serkan, Lennis besten Freund, dessen Großeltern vor Jahrzehnten aus der Türkei nach Deutschland eingewandert sind, an seiner Seite hat, der sich bisher immer angepasst verhielt, jetzt aber auch verdeutlicht, dass er mit Rassismus zu kämpfen hat. Damit erschüttern Benjamin und Serkan die kosmopolitischen Gewissheiten der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie der Eltern des Gymnasiums. Der Ich-Erzähler Lenni muss plötzlich Stellung beziehen und erkennen, dass etwa sein Lieblingslehrer und Leiter der Theater-AG nicht frei von Vorurteilen ist. So schlägt der Lehrer für das Schultheaterstück „King Kong“ Serkan für die Rolle der Titelfigur vor, was Benjamin kritisiert. „ ‚Das ist nicht Ihr Ernst!‘, empört sich Benjamin. ‚Sie geben dem einzigen Schüler der AG, der nicht weiß ist, die Rolle des Affen?‘“ Die Diskussion endet mit Benjamins Vorwurf: „ ‚Ihr seid alle rassistisch. Das ist eine Scheiß-Schule voller Scheiß-Nazis.‘“ Die Schulgemeinschaft reagiert empört, die Elternsprecherin beruft eine Krisensitzung ein, weil sie „die Vorwürfe so nicht stehen lassen“ kann. Auch Lennis Mutter findet Benjamins Kritik „absurd“. Ein Rassist sei ein „böser Mensch, der Ausländer schlecht behandelt“, erklärt sie Lennis kleiner Schwester, als die fragt, was das Wort bedeutet. Aber ist es so einfach? Genau diese Frage wirft Schrocke in dem Roman auf und sensibilisiert damit auch die Leserinnen und Leser, über eigene (ggf. versteckte bzw. unterschwellig vorhandene) Vorurteile und diskriminierendes Verhalten nachzudenken.

Didaktische Hinweise

Der Roman eignet sich sehr gut für die Lektüre im Unterricht in den Fächern Deutsch und Ethik, da er durch die Sensibilisierung für den in vielen Situationen oder Äußerungen implizit enthaltenen Rassismus dazu beitragen kann, dass die Schülerinnen und Schüler das eigene Verhalten reflektieren. In diesem Zusammenhang bietet vor allem die Figur des Lenny ein großes Potential und Stoff zum Nachdenken und für Gespräche, denn er hält sich für tolerant und aufgeschlossen, so wie die meisten von uns auch, doch muss er erkennen, in wie vielen alltäglichen Situationen Menschen wie Benjamin oder Serkan Rassismus erleben, selbst in Sätzen, die dem Sprecher als harmlos oder freundlich vorkommen. So trägt das Buch dazu bei, dass die Wahrnehmung der Leserinnen und Leser geschult wird und sie ihr Handeln und ihre Kommunikation überdenken, ohne dass es sich um eine eindimensionale Gut-gegen-Böse-Geschichte handelt.

Besonders interessant ist dabei der Titelbegriff „Weiße Tränen“, der im Roman erläutert wird. Er beschreibt das Phänomen, auf einen Rassismus-Vorwurf mit Empörung zu reagieren, statt über diesen nachzudenken, auch hier dürften sich viele Leserinnen und Leser wiederkennen.

Es ist ein Roman über Freundschaft und Liebe, über Leben und Tod, über weiße Privilegien und Alltagsrassismus. Er greift damit hochaktuelle Themen auf, ist nah an den Jugendlichen dran und wirft wichtige Fragen auf. Auch das Ende lässt viel Spielraum für Diskussionen, wie es weitergehen wird. Somit ist das Buch hervorragend als Schullektüre geeignet, denn es wird die Schülerinnen und Schüler nicht unberührt lassen.

Der Mixtvision-Verlag stellt kostenfrei Unterrichtsmaterial zum Roman zur Verfügung, das von Miriam Rosenlehner erarbeitet wurde und für die Klassenstufen 8-10 genutzt werden kann.

 

Gattung

  • All Age
  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 10

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Interkulturelle Erziehung

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Sprachliche Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2023

ISBN

9783958542051

Umfang

220 Seiten

Medien

  • Buch