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Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung

Diese Seite handelt von dem Lesen-Lernen in Verbindung mit dem Förderschwerpunkt der körperlichen und motorischen Entwicklung. Dafür stellen wir förderdiagnostische Leitfragen, die zunächst durch theoretische Vorüberlegungen vorbereitet werden. Darauf aufbauend stehen bebilderte Vorschläge zur Gestaltung von unterstützenden Maßnahmen bereit. Außerdem verweisen wir auf Beratungsangebote

Theoretische Vorüberlegungen

Lesen ist eine Voraussetzung, um sich in unserer modernen, informationsbasierten Gesellschaft orientieren zu können und ist somit eine wichtige Kompetenz. Das Lesen-Lernen ist jedoch ein langjähriger Prozess, den nicht jeder mit Leichtigkeit meistert. Es ist eine komplexe kognitive Fähigkeit, deren Erwerb nicht selbstverständlich ist. Die Motorik ist zusammen mit der Wahrnehmung Grundlage der meisten höheren menschlichen Leistungen und damit für die Gesamtentwicklung des Kindes von grundlegender Bedeutung. Störungen der motorischen Fähigkeiten bedeuten eine entscheidende Herausforderung. Auch beim Lesen- Lernen und der Entwicklung der Lesefertigkeit wird deutlich, dass Schülerinnen und Schüler mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (kmE) Unterstützung brauchen. Wer nicht in der Lage ist, seine Körperbewegungen fein zu dosieren, hat auch Schwierigkeiten beim Umblättern der Seiten, bei der Orientierung auf dem Blatt etc. Ein geeigneter ergonomischer Arbeitsplatz ist für jede Schülerin und jeden Schüler unter Einbezug therapeutischer Gesichtspunkte individuell zu gestalten. Die Schülerinnen und Schüler benötigen verschiedene Arbeitsmittel, um im Unterricht ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechend lernen und mitarbeiten zu können. Die einzelnen Arbeitsmittel müssen individuell auf die Betroffenen abgestimmt werden.

Erworbene Fähigkeiten beim Lesen haben für die Schülerinnen und Schüler Auswirkungen auf alle anderen Fächer. Für den Umfang der gelesenen Texte und die weiterführende Arbeit an den Texten spielen die Differenzierung und der individuelle Umgang eine entscheidende Rolle.

Um die im Lehrplan formulierten Kompetenzerwartungen umzusetzen, ist es im Unterricht mit Schülerinnen und Schülern im Förderschwerunkt körperliche und motorische Entwicklung notwendig, Inhalte individualisiert und fallbezogen zu gestalten. Für manche Schülerinnen und Schüler ist es aufgrund von behinderungsspezifischen Einschränkungen nicht möglich, lange Texte komplett selbstständig und im geforderten Umfang und Tempo zu lesen. Dann kann es unter Umständen geboten sein, die Möglichkeit des Vorlesens bzw. eines Hörspiels zu nutzen oder zumindest stellenweise mit selbstständigem Lesen zu kombinieren. Klassenlektüren können unter Umständen und zumindest teilweise als Hörbuch angeboten werden, um ein Bewältigen einer Ganzschrift zu ermöglichen.

Förderdiagnostische Leitfragen

Folgende Fragen können für die Förderung und Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung beim Lesen hilfreich sein:

  • Erfüllt die Schülein oder der Schüler die visuellen Wahrnehmungskomponenten (Fokussierung, Auge-Hand-Koordination), um mit gängigen Lesetexten gewinnbringend umzugehen?
  • Kann sich die Schülerin oder der Schüler Texten, ggf. auch in diskontinuierlichen Texten räumlich orientieren?
  • Gelingt der Schülerin oder dem Schüler das Umblättern der Seiten?
  • Ist die Schülerin oder dem Schüler behinderungsbedingt darin eingeschränkt, den in der Jahrgangsstufe üblichen Leseumfang bzw. das übliche Lesetempo zu bewältigen?
  • Inwieweit gelingt der Schülerin oder dem Schüler trotz seiner körperlichen Einschränkung der Umgang mit Lesetexten, wie beispielsweise die Anwendung von Lesestrategien (Markieren, Randnotizen machen etc.)? Ist hierfür eine angepasste Vorgehensweise oder der Einsatz von Hilfen erforderlich?
  • In welchem Arbeitstempo und unter welchen Umständen liest eine Schülerin oder ein Schüler einen Text sinnentnehmend? Kann der Schüler den Text durch strukturierende Hilfen in der Gestaltung von Texten schneller oder konzentrierter lesen?
  • Welche Körperhaltung nimmt die Schülerin oder der Schüler beim Lesen ein? Ist der Arbeitsplatz der Schülerin oder des Schülers in Bezug auf seine Körperbehinderung für das Lesen optimiert?
  • Liegt eine Links- oder Rechtshändigkeit vor und wurden hierfür bereits spezifische Hilfsmittel erprobt?
  • Wendet die Schülerin oder der Schüler bereits herkömmliche oder elektronische Lesehilfen an? Welche weiteren Hilfen sind denkbar oder wurden bereits erprobt?

Maßnahmen zur Förderung/Unterstützende Maßnahmen

Arbeitsplatzgestaltung

Ein strukturierter und klar gegliederter Arbeitsplatz kann zur Aufmerksamkeitsbündelung und Konzentration beitragen. Ordnungssysteme erleichtern die Orientierung und fördern die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler. Eine Begrenzung des Arbeitsplatzes kann im Sinne der Strukturierung Klarheit verschaffen. Farbige Schreibtischunterlagen unterstützen die visuell-räumliche Organisation. Rutschfeste Unterlagen haben sich als hilfreich erwiesen.

Schreibtisch

Die Höhe und die Form des Schreibtisches richten sich nach den individuellen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Schülerin/der Schülers. Ein eventuelles Schrägstellen des Tisches unterstützt eine aufrechte Sitzhaltung und einen besseren Blick auf das zu Lesende. Ein Haltegriff kann als Unterstützung zur Aufrichtung sinnvoll sein und unter Umständen kann sogar eine speziell angefertigte Tischplatte das Schreiben erleichtern.

 

Stuhlversorgung und Sitzhaltung

Ein fester, stabiler Stuhl bietet eine notwendige Voraussetzung, um sich auf die Tätigkeit des Lesens konzentrieren zu können. Die Füße sollten flach auf dem Boden stehen und der Bauch den Tisch berühren. Ein Keilkissen kann zur Rumpfaufrichtung und zur Fußbelastung beitragen. Bei der Stuhlversorgung kann ein individuell angepasster Stuhl, in Zusammenarbeit mit Physio- und Ergotherapeuten/-innen, sinnvoll und notwendig sein.

 

Arbeitsblattgestaltung und Textoptimierung

Arbeitsblätter und Lesetexte sollten klar und gut strukturiert gestaltet sein. Ein übersichtlicher, eventuell reduzierter Aufbau ermöglicht die selbstständige Bearbeitung. Dazu gehören die Nummerierung der Zeilen, die Strukturierung in übersichtliche Abschnitte, eine Vergrößerung der Schriftzeichen und der Zeilenabstände sowie eventuell die farbliche Hervorhebung der Abschnitte zur besseren Orientierung. Daneben spielen auch Schriftart und Schriftgröße sowie angepasste Zeilenabstände eine Rolle. Bei der Auswahl und dem Umfang der Texte sollte wenn möglich individuell auf die Lesefähigkeiten des Schülers oder der Schülerin eingegangen und die Texte entsprechend optimiert werden.

 

Berücksichtigung der Händigkeit

Da Linkshänder eine andere Blickrichtung als Rechtshänder haben, ist eine spezielle Lesehilfe hilfreich. Die Blickrichtung des Linkshänders verläuft von rechts nach links, da unsere Leserichtung aber von links nach rechts verläuft, gleitet deshalb das Auge bei Linkshändigkeit oft nach rechts und versucht Buchstaben zu früh in ein Wort einzubauen. Mit der Lesehilfe jedoch ist dieser Bereich abgedeckt und das Wort kann Buchstabe für Buchstabe richtig aufgebaut werden. Da die Auge-Hand-Koordination sehr wichtig ist, sind auch die Fingerspitzen der linkshändigen Lesehand aufgedruckt, damit der Schüler/die Schülerin an die wichtige Lesehand, die nun den sonst üblichen Zeigefinger ersetzt, erinnert wird.

Spezielle Schreibunterlagen für Linkshänder bieten auch beim Lesen Orientierungshilfe.

 

Anwendung von Lesehilfen

Lesehilfen wie Blattwender, Buchauflagen, Leseständer, Konzepthalter helfen den Schülern und Schülerinnen das Lesematerial in eine ergonomische Haltung zu bringen, indem sie beim Umblättern unterstützen, Seiten automatisch umblättern und das Lesematerial nach Bedarf beleuchten. Leselineale, Leselupen, Lupenlineale und Tageslichtlampen können das Lesen bei Schwierigkeiten in der visuellen Wahrnehmung erleichtern. Lesematerialien in Großschrift bzw. Audioformaten können zudem in spezialisierten Bibliotheken ausgeliehen werden.

Die in der Regel klappbaren Tisch-Lesepulte sind meist mehrstufig verstellbar und haben unten eine Halteleiste, die verhindert, dass das Buch bzw. das Arbeitsblatt wegrutscht.

Elektronische Lesehilfen

Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen elektronischen Hilfsmitteln und Tastaturen, die für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung eine Erleichterung und Hilfe darstellen können. Bei der Auswahl eines Gerätes sollte für die Schülerinnen und Schüler auf eine einfache Bedienbarkeit und gute Ergonomie geachtet werden.

Bildschirmlesegeräte nehmen mit einer Kamera Texte und Bilder auf und geben diese unmittelbar vergrößert auf einem Monitor wieder. Dabei kann die Größe des dargestellten Bildes auf dem Monitor in einem weiten Bereich variiert werden. Zusätzlich können bei Bildschirmlesegeräten – im Gegensatz zu optisch vergrößernden Sehhilfen – der Kontrast, die Helligkeit und die Farben von Text und Hintergrund verändert werden. Vorteilhaft sind daher Bildschirmlesegeräte, wenn das Kontrast-Sehen eingeschränkt ist und wenn Vergrößerungen benötigt werden. Sie sind zudem zum Lesen längerer Texte in Arbeitsheften auf Arbeitsblättern oder Büchern hilfreich. Die meisten Bildschirmlesegeräte stehen fest auf einem Tisch. Zum Lesen wird ein Text auf einem zum Gerät gehörenden, beweglichen Tisch unter der Kamera verschoben. Die Bedienung des Gerätes lernen die meisten Schülerinnen und Schüler relativ schnell. Die Scharfstellung der Kamera erfolgt bei den neueren Geräten meist automatisch über einen Autofokus. Einige Geräte weisen weitere Eigenschaften auf, wie z. B. eine Zeilenmaske zur besseren Orientierung im Text.

Beratungsangebote

Am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung ist die Zusammenarbeit mit Therapeutinnen/Therapeuten im Rahmen einer therapieimmanenten Unterrichtspraxis oftmals sinnvoll und häufig notwendig. Dabei verstehen sich Lehrkräfte und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter der Therapie als Team, das in Abstimmung mit den Erziehungsberechtigten gemeinsam eine interdisziplinäre Förderung der Schülerinnen und Schüler plant und umsetzt.

Der Mobile Sonderpädagogische Dienst für den Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung (MSD kmE) bietet individuelle Unterstützung bei der Erziehung und Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen an der wohnortnahen Regelschule. Ziel von Beratung und Förderung ist es, gemeinsam mit allen Erziehungsverantwortlichen das Lernen und Leben im schulischen Umfeld, den persönlichen Möglichkeiten entsprechend, zu gewährleisten. (vgl. MSDkonkret 5, 2015)

Für weitere Fördermaßnahmen beim Lesen kann der Einbezug von Fachdiensten, wie z. B. Ergotherapie und Physiotherapie sinnvoll sein. Hierzu stellt die Lehrkraft in Absprache mit den Erziehungs- und Sorgeberechtigten Kontakt zu den außerschulischen Partnern her.

Bayernweit gibt es im Rahmen des MSD kmE Beratungsstellen für Unterstützte Kommunikation, Hilfsmittel zur PC-Ansteuerung und Umfeldkontrolle (ELECOK), die Lehrkräften, Erziehungs- und Sorgeberechtigten, Erzieherinnen und Erziehern, Therapeutinnen und Therapeuten etc., Unterstützung bei der Auswahl geeigneter Kommunikationshilfen anbieten. Ebenso berät ELECOK auch zu Ansteuerungsmöglichkeiten und weiteren Hilfsmitteln für die Teilhabe motorisch eingeschränkter Schülerinnen und Schüler am Unterricht.

Zur Vertiefung ist die Handreichung "Unterstützte Kommunikation in Unterricht und Schule" (2009) des ISB zu empfehlen. Hier sind auch viele praktische Beispiele zur Umsetzung anschaulich auf einer DVD zusammengestellt.